Projekt Koordinatorin Ana Kozina spricht über die Wichtigkeit von sozialen und emotionalen Kompetenzen und Diversitätsbewusstsein (SEDA-Kompetenzen) in Schulen.
„HAND IN HAND: Lehrkräfte in ganz Europa im Umgang mit sozialen, emotionalen und diversitätsbedingten beruflichen Herausforderungen stärken“ baut auf den Erfahrungen und Erkenntnissen aus dem Projekt „HAND IN HAND: Sozial-emotionale Kompetenzen für eine tolerante und nicht-diskriminierende Gesellschaft – eine schulweite Herangehensweise (HAND)“ auf, welches als eines der zehn wichtigsten EU-Projekte für die Fortbildung von Lehrkräften und Schulleitungen ausgezeichnet wurde.
In beiden Projekten hat das Network of Education Policy Centers (NEPC) die Koordination von Kommunikation und Dissemination und somit einer Vielzahl von Werbeaktivitäten, Events und Produkten übernommen. Dadurch sollen die Nutzung der Ergebnisse und Leistungen des Projekts sowie die Weitergabe der Ergebnisse an alle relevanten Interessensvertretungen optimiert werden.
Vor Beginn der Implementierung der ersten Projektaktivitäten „im Forschungsfeld“ beschlossen wir, die ursprüngliche Idee des ersten HAND-Projektes noch einmal aufzugreifen und die während des ersten Projekts erworbenen Kenntnisse, die eine Grundlage für die Erweiterung der Idee und Entwicklung des HAND:ET-Projektes bildeten, zu untersuchen.
Ana Kozina, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Educational Research Institute in Ljubljana und Projektkoordinatorin von beiden Projekten, spricht über die Entwicklung der Projektidee und über die Bedeutung der Stärkung von Lehrkräften, ihrer sozial-emotionalen Kompetenzen sowie ihres Diversitätsbewusstseins (SEDA-Kompetenzen) in Schulen.
HAND wurde in einer von spezifischen Umständen geprägten Zeit entwickelt. Können Sie weiter ausführen, wie die Idee entstanden ist und welche Bedürfnisse Sie adressieren wollten?
- Ja, HAND IN HAND war unsere Antwort auf das wachsende Bedürfnis in Europa, inklusive Lernumfelder aufzubauen und zu unterstützen - insbesondere angesichts der zunehmenden Migration. Bei der Suche nach einer evidenzbasierten Antwort erschien soziales und emotionales Lernen in Kombination mit inter(trans)-kulturellen Kompetenzen als Retter in der Not. Dieser Ansatz sollte dabei helfen, inklusive Schulen und Gesellschaften zu fördern, in denen sich alle Schüler*innen akzeptiert fühlen und die Möglichkeit haben, ihr volles Potential auszuschöpfen.
Der Aufruf der europäischen Kommission bildete für mich, die anderen Wissenschaftler*innen sowie Professionist*innen und politischen Initiator*innen, die dieselbe Vision teilten, die Möglichkeit zu erkunden, wie wir diese Kompetenzen in unterschiedlichen Ländern fördern können. So begann das HAND IN HAND-Projekt. Es baute auf dem hohen Stellenwert von Beziehungen auf - insbesondere auf empathischer Präsenz in verschiedenen Formen von Beziehungen als Grundlage für einen inklusiven Klassenraum. Der Fokus lag dabei auf einer schulweiten Herangehensweise. Im Rahmen des Projekts haben wir hierzu ein EU-basiertes, systematisches open-access Tool entwickelt: ein universelles SEI Lernprogramm - also ein Lernprogramm hinsichtlich sozialer, emotionaler und interkultureller Kompetenzen. Gleichzeitig wurden auch die Wirksamkeit solcher Programme in einem Feldexperiment in den drei EU-Mitgliedsstaaten Slowenien, Kroatien und Schweden getestet.
Beide Projekte starteten in einer schwierigen Zeit: HAND, als die Projektländer mit einer Migrationskrise konfrontiert waren und HAND:ET während der COVID 19-Pandemie. Wie schätzen Sie die Auswirkungen dieser Umstände auf die Akzeptanz und Anerkennung der SEDA-Thematik in Schulen ein?
- Seit Beginn des HAND-Projekts hatten wir den universellen Charakter der SEDA-Kompetenzen im Blick. Wir vermuteten, dass die Unterstützung dieser Kompetenzen positive Auswirkungen auf individuelle Klassenräume, ganze Schulen und auf die Gesellschaft insgesamt haben würde. COVID 19 hat auf drastische Weise die sozialen und emotionalen Kompetenzen sowie das Diversitätsbewusstsein jedes und jeder Einzelnen herausgefordert und das Bedürfnis nach systematischen Lösungen zur Förderung dieser Kompetenzen auf allen Ebenen hervorgehoben.
Beispielsweise haben wir zur Zeit des Ausbruchs der COVID 19 Pandemie eine Zunahme der Aufrufe unserer frei zugänglichen HAND-Aktivitäten auf unserem YouTube-Kanal feststellen können. In dieser Zeit der steigenden Besorgnis und Angst hatten wir alle das Bedürfnis nach Unterstützung. Die Forschung hat gezeigt, dass eine bessere psychische Gesundheit in Zeiten von erhöhtem Stress, wie während der COVID 19 Pandemie, mit emotionalen Kompetenzen verknüpft ist. Lehrkräfte waren - neben dem medizinischen Personal - einer besonders starken Belastung ausgesetzt. Jetzt ist definitiv die Zeit gekommen, in der diese Kompetenzen sowohl in der Schule als auch darüber hinaus stärker wahrgenommen werden müssen.
Das HAND-Projekt hatte eine schulweite Herangehensweise im Fokus und HAND:ET die Stärkung von Lehrpersonen. Welche Bedürfnisse, die Sie während der Implementierung wahrgenommen haben, haben Sie ermutigt, im HAND:ET-Projekt den Fokus auf Lehrkräfte zu legen?
Im HAND-Projekt stellten wir uns nicht nur die Frage, was benötigt wird, um ein inklusives Klassenzimmer zu schaffen (SEI Kompetenzen), sondern auch, wie wir dieses Ziel erreichen können. Aus diesem Grund haben wir ein komplexes, experimentelles Forschungsdesign über Ländergrenzen hinweg konzipiert, mit dem wir die Effekte des HAND-Programms in Schulen abhängig von mehreren Bedingungen getestet haben: (A) der Kontrollbedingung (eine Kontrollgruppe wurde gebildet, die nicht am HAND:ET Programm teilnahm); (B) der Teilnahme nur am Programm für Schüler*innen; (C) der Teilnahme nur am Programm für Schulpersonal und (D) der Teilnahme an den Programmen als Teil eines gesamtschulischen Ansatzes (also an den Programmen für Schulpersonal und für Schüler*innen).
Der Evaluierungsprozess hat die zentrale Rolle von Lehrkräften hinsichtlich der Förderung von sozialer und emotionaler Bildung gezeigt. So wurde z.B. bei den SEI-Kompetenzen der Schüler*innen, deren Lehrkräfte in das Programm involviert waren, im Vergleich zur Gruppe, bei der nur die Schüler*innen selbst involviert waren, ein höheres Ausmaß an positiven Ergebnissen festgestellt. Die zentrale Botschaft war, dass Lehrkräfte der Startpunkt sind. Eine der Hauptherausforderungen für Schulen im 21. Jahrhundert ist, auf die unterschiedlichen Schüler*innen mit ihrer Vielzahl an Fähigkeiten, Motivationen und Hintergründen einzugehen, um ihnen Erfolge in der Schule und im späteren Leben zu ermöglichen. Unserer Meinung nach haben Lehrkräfte hier die zentrale Rolle inne.
Deshalb ist es wesentlich, dass Lehrpersonen über diese Kompetenzen verfügen. Erstens, um sich selbst im Alltag helfen zu können und zweitens, damit sie die Schüler*innen unterstützen können, die auf sie vertrauen. Und, wie bereits gesagt, führte die COVID 19-Pandemie zu neuen Herausforderungen für das Bildungssystem der EU, mit den Lehrkräften an vorderster Front. Z.B. sind da die endlosen Stressoren wie Online-Lehre, Quarantäne, Unsicherheiten im Bezug auf neue Fähigkeiten oder die Notwendigkeit, höchst flexibel zu sein. Und hier kann HAND:ET den Lehrkräften eine Hand reichen.
Es gibt auch einige konzeptuelle Veränderungen. HAND war auf soziale, emotionale und interkulturelle Fähigkeiten (SEI) fokussiert, während HAND:ET auf die sozialen und emotionalen Kompetenzen und das Diversitätsbewusstsein (SEDA) abzielt.
- Ja und nein. Es ist so, dass der Fokus in HAND auch auf dem Diversitätsbewusstsein lag, aber die verwendete Bezeichnung (interkulturelle Kompetenzen) hat den wirklichen Inhalt des Programms nicht gut genug reflektiert. Darum verwenden wir bei HAND:ET den Begriff Diversitätsbewusstsein, weil er unserer Meinung nach die Mission des HAND:ET-Projekts besser erfasst. Diese Mission ist, Lehrkräfte in ihrem Bewusstsein für die Diversität im Klassenraum, in ihren Antworten auf diese Diversität und beim Einbeziehen der Diversität in den Aufbau positiver Beziehungen in Klassenräumen, Schulen und darüber hinaus zu unterstützen.
Darüber hinaus hat sich HAND:ET auch auf politischer Ebene entwickelt, mit dem Ziel, einen Beitrag zur Gestaltung einer umfassenden EU-Lehrer*innenpolitik zu leisten. Was hat Sie dazu inspiriert, dieses Thema auf der politischen Ebene der EU zu behandeln?
- Als solides politisches Experiment wird das Projekt politikorientierte Forschungsergebnisse liefern, um die individuellen, schulischen und systemischen Faktoren besser zu verstehen, die erforderlich sind, um die Verbesserung der SEDA-Kompetenzen von Lehrpersonen zu unterstützen. Was uns dazu veranlasst hat, die Wirkung auf politischer Ebene zu verstärken, ist die Tatsache, dass trotz der nachgewiesenen positiven Auswirkungen von SEDA-Kompetenzen auf individuelle (z. B. psychische Gesundheit) und schulische Ergebnisse (d. h. schulische Leistungen, Schulabbruch, Arbeitsausstieg, Arbeitszufriedenheit) nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern und lokalen Gerichtsbarkeiten bestehen, was die Verfügbarkeit von Maßnahmen und Programmen zur Förderung dieser Kompetenzen angeht, da es an direkter systemischer Unterstützung mangelt. Die Möglichkeit, SEDA-Kompetenzförderung zu erhalten, sollte nicht vom Kontext abhängen, in dem wir uns befinden (z. B. Klasse, Schule, Region oder Land), sondern allen zur Verfügung stehen.
Aus diesem Grund glauben wir, dass wir systematischen Support „von oben nach unten“ benötigen. Und das schließt die Notwendigkeit von Kontextualisierung mit ein. Tatsächlich zielen wir mit HAND:ET darauf ab, europaweite politische Leitlinien zu entwickeln, die den Ausbau der SEDA-Themen und -Programme in der Ausbildung von Lehrkräften auf der Systemebene unterstützen und länderspezifische Empfehlungen zur Verfügung stellen, die sich langfristig und evidenzbasiert mit aktuellen strukturellen Problemen des Lehrberufes befassen.
Abschließend: Was sind für Sie die zentralen Erkenntnisse aus der Implementierung von HAND, die Sie in HAND:ET übernommen und implementiert haben?
- Zusätzlich zur Fokussierung auf die Lehrkräfte antwortet das HAND:ET-Projekt direkt auf das länderübergreifende Bedürfnis nach konstanter Unterstützung und nach Monitoring während des ganzen Schuljahres sowie nach Unterstützung des Transfers der Aktivitäten in die Klassen. Zusammengefasst: Zusätzlich zu HAND bietet HAND:ET Schulen während des ganzen Schuljahres kontinuierliche Unterstützung hinsichtlich der SEDA-Kompetenzen sowie bei der schulweiten Implementierung von SEDA-Elementen in die Klassenräume. Darüber hinaus haben wir auf Projektebene zwei sehr wichtige Erweiterungen vorgenommen, indem wir zwei weitere Länder - Österreich und Portugal –eingebunden und die Zahl der Trainer*innen erhöht haben. Der ganzheitliche Ansatz legt einen starken Fokus auf eine gemeinsame (zusammen mit den Lehrkräften) kontextbezogene Entwicklung des HAND:ET-Systems mit dem Ziel, Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit zu gewährleisten: HAND:ET wird nicht nur für Lehrkräfte, sondern auch mit Lehrkräften entwickelt.
Weitere Informationen finden Sie auf den beiden offiziellen Websites: HAND und HAND:ET. Besuchen Sie die offizielle Facebook-Seite des Projekts, um über die aktuellen Projektaktivitäten informiert zu bleiben.